Frau Korbik // Life Lessons
Im Januar bin ich 34 Jahre alt geworden und damit offiziell nicht mehr Anfang, sondern Mitte 30. Passenderweise musste ich mir an meinem Geburtstag selbst ein einziges weißes Haar ausrupfen, das hartnäckig und regelmäßig im vorderen Teil meiner rechten Augenbraue sprießt. Ein einziges weißes Haar! Gut möglich also, ich in nicht allzu ferner Zukunft mit einer weißen und einer schwarzen Braue durchs Leben gehe. Aber: Wenn Susan Sontag den Stinktierlook gut aussehen lassen kann, kann ich verschiedenfarbige Brauen zum Trend machen. So zumindest mein fester Vorsatz.
34 Jahre also. Vor ein paar Jahren, anlässlich meines 30. Geburtstags, habe ich für einen Blog ein paar sogenannte „Life Lessons“ aufgeschrieben, also Dinge, die ich im Laufe meines Lebens bis dahin gelernt hatte. Nicht unbedingt Ratschläge oder feststehende Maxime, sondern persönliche Erkenntnisse. 34, finde ich, ist eine gute Gelegenheit, um eine überarbeitete Liste mit „Life Lessons“ zu schreiben.
1. „Morgen sieht alles anders aus“ ist nicht nur ein Spruch. Manchmal hilft es, einfach ins Bett zu gehen. Probleme lösen sich nicht über Nacht, aber man ist am nächsten Morgen ausgeruhter – und hat deshalb einen anderen Blick auf sie.
2. Sich aufrichtig entschuldigen können ist viel wert.
3. Sprachen sind das Fenster zur Welt.
4. Etwas Neues zu lernen kostet Zeit und Anstrengung – doch es gibt einem auch so viel.
5. Manchmal ist es gut, sich Bedenken anderer zu Herzen zu nehmen – und manchmal muss man trotz dieser Bedenken das tun, was sich für einen selbst richtig anfühlt.
6. Geh nicht immer von dir selbst aus, wenn es um andere geht. Nur weil ich es so und so machen würde, heißt das nicht, dass es für die andere Person auch der beste Weg ist.
7. Pasta macht das Leben besser.
8. Man kann es nicht allen recht machen. Und man muss sich nicht jede Kritik zu Herzen nehmen.
9. Nicht alle Kämpfe sind es wert, geführt zu werden.
10. Schlaf wird nicht überbewertet.
11. Das ultimative Party-Mitbringsel: ein Kinder Überraschungsei.
12. Für seine Überzeugungen einzustehen ist oft anstrengend, frustrierend und deprimierend. Tun sollte man es trotzdem.
13. Wirkliche Freund:innen sind nicht nur für dich da, wenn es dir schlecht geht – sie freuen sich auch mit dir, wenn es gut für dich läuft.
14. Du musst nicht zu allem eine Meinung haben.
15. Sei dankbar.
16. Tu mehr von dem, was dich glücklich macht: lesen, träumen, den Sonntagmorgen im Bett verbringen.
17. Tiere machen das Leben besser.
18. Deponiere an kalten Abenden eine Wärmflasche im Bett, bevor du das Haus verlässt – und schlüpfe später direkt in die wohlige Wärme.
Gehört
Gut gegen den Januar- und Februarblues: diese schmissige Live-Version von Charles Aznavours For me formidable.
Ach hörenswert: Der investigative Podcast Just Love, in dem es um die im Taunus ansässige Sekte Bhakti Marga geht, deren Guru Swami Vishwananda als Gott verehrt wird. Doch Aussteiger:innen berichten immer wieder von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt. Die Journalistinnen Marlene Halser und Sonja Süß gehen den Vorwürfen nach – und geben den Missbrauchsopfern des Guru eine Stimme. Die ersten beiden Teile des Podcasts finden sich in der ARD Audiothek (ich habe sie mir auf Spotify angehört).
Gelesen
Für eine Veranstaltung in Berlin, die ich vor wenigen Wochen hätte moderieren sollen, dank der Pandemie aber auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, habe ich Das verbotene Notizbuch von Alba de Céspedes gelesen – ein Roman, der bereits 1952 auf Italienisch veröffentlicht, aber erst jetzt ins Deutsche übersetzt wurde (von Verena von Koskull). Im Mittelpunkt der Erzählung steht Valerie, die im Nachkriegs-Rom ein einfaches Leben mit Kindern und Ehemann führt. Doch eines Tages kauft sie im Tabakladen ein schwarzes Notizbuch, beginnt, heimlich Tagebuch zu schreiben – und etwas verändert sich. Erst in ihr, dann in ihrem Leben. Valeria lernt sich selbst besser kennen, entdeckt eigene Sehnsüchte und Ängste. Das verbotene Notizbuch ist ein unaufgeregtes Buch, das auf stille Art von Lebensträumen berichtet. Davon wie es ist, aus dem monotonen Alltag ausbrechen zu wollen. Aber auch davon, wie Erwartungen und Geschlechterrollen zum Käfig werden können, aus dem auszubrechen nicht ohne weiteres möglich ist.
Auf meinem Nachttisch: The Right to Sex von Amia Srinivasan.
Gesehen
Vor Weihnachten habe ich es ein paar Mal ins Kino geschafft und wirklich jeder Film, den ich dort sah, war hervorragend. Zwei Filme, über die ich immer noch nachdenke, sind The Lost Daughter – Frau im Dunkeln (Sidenote zum Filmtitel: Der englische Titel ergibt keinen Sinn, und noch weniger Sinn ergibt er in Kombination mit dem deutschen Titel) und Last Night in Soho. Zwei sehr unterschiedliche Filme, die sich auf unterschiedliche und interessante Weisen mit Geschlechterrollen und dem Patriarchat auseinandersetzen. Im Fall von Last Night in Soho denke ich, dass dem Film nicht all das gelingt, was er sich vorgenommen hat, aber er macht etwas mit einem und ist dabei unglaublich unterhaltsam und stylisch.
Außerdem sehr zu empfehlen: Diese Arte-Dokumentation über die in Vergessenheit geratene französische Film-Pionierin Alice Guy (wobei es hier, leider, mal wieder korrekter ist festzustellen: Guy wurde nicht bloß vergessen, sie wurde von Männern bewusst aus der Filmgeschichte gestrichen).
In eigener Sache (#selfpromotion)
Ich erwähnte es bereits im letzten Newsletter, aber doppelt hält bekanntlich besser: Am 22. Februar erscheint bei Kein & Aber der Sammelband Das Paradies ist weiblich. 20 Einladungen in eine Welt, in der Frauen das Sagen haben (herausgegeben von Tanja Raich). Es geht um die Frage, was passieren würde, wenn wir uns vom Patriarchat verabschieden. Es gibt 20 großartige Texte von großartigen Autor:innen, darunter Mithu Sanyal, Feridun Zaimoglu, Miku Sophie Kühmel, Linus Giese und Emilia Roig. Ich durfte die Kurzgeschichte Dreizehn beisteuern in der es, so viel sei verraten, um das Thema Fürsorge geht, welches mich im vergangenen Jahr sehr beschäftigt hat, und welches im Zentrum matriarchaler Gesellschaften – die es hier und heute tatsächlich gibt – steht.