Frau Korbik #04 // Ein paar gute Dinge
Dies ist die vierte Ausgabe meines Newsletters und zum ersten Mal ist es mir schwer gefallen, ihn zu schreiben. Dabei hatte ich eigentlich schon einen Text vorbereitet – und dann plötzlich Angst, dass dieser angesichts aktueller Ereignisse (u.a. die US-Wahl, mehrere Anschläge, ein schweres Erdbeben) belanglos oder sogar unpassend wirken könnte. Keinen Newsletter schicken wollte ich aber auch nicht, und so sitze ich hier, am ersten Tag des zweiten Lockdowns (im Politik-Sprech auch „Lockdown Light“ genannt), und versuche, ein paar Gedanken in Worte zu fassen.
Dieses Jahr hat mich langsam, aber sicher zermürbt. Auf Facebook schrieb ich letztens, meine Grundstimmung sei „müde. Einfach nur müde“, was das Ganze gut zusammenfasst. An manchen Tagen fühlt es sich so an, als sei meine Haut papierdünn – Ereignisse, Emotionen, Menschen, alles, sickert problemlos in mich hinein, macht mich unglaublich traurig oder wütend. An anderen Tagen hingegen kommt nichts an mich heran, ich bin seltsam abgestumpft, nichts erreicht mich wirklich.
Während des ersten Lockdowns sagte ich oft Dinge wie „Es ist nicht toll, aber ich sollte mich nicht beschweren – zumindest habe ich keine Kinder zu versorgen/wohne mit sechs Menschen in einer kleinen Wohnung/arbeite in einem systemrelevanten Beruf.“ Ich dachte, ich müsste mich dafür rechtfertigen, dass es mir nicht besonders gut geht, obwohl es mir doch eigentlich so gut geht, also, im Vergleich zu anderen. Mittlerweile denke ich: Es ist okay, zuzugeben, dass ich mir Sorgen um meine berufliche Zukunft mache sowie Verwandte und Freund*innen mache; dass ich zu kämpfen habe; dass es Tage gibt, an denen ich mich frage, wie lange das so noch weitergehen soll. Eine Pandemie sollte Grund genug dafür sein dürfen, sich oft nicht okay zu fühlen. Das soll natürlich nicht heißen, dass das Virus alle gleich trifft. Das tut es nicht. Aber wir alle haben gerade, auf unterschiedliche Weisen, unser Päckchen zu tragen.
Nun also der zweite Lockdown und mit ihm, mal wieder, Unsicherheit. Aber nicht nur die: Während des ersten Lockdowns im Frühjahr konnte man sich immerhin noch auf den nahenden Sommer freuen – diesmal wartet nach dem Lockdown nur der Winter, der, ich erwähnte es bereits, in Berlin ungefähr sechs Monate dauert. Aber: Es wird weitergehen. Es muss weitergehen. Irgendwie.
Und weil wir alle momentan ein bisschen gute Laune vertragen können, folgt hier eine kleine Auflistung der Dinge, die mir gerade Freude bereiten und/oder die mir guttun.
PS: Was tut euch gerade gut und heitert euch auf? Ich freue mich über Tipps & Ratschläge!
Ein paar gute Dinge
Objektiv betrachtet ist Fernando ein absurder Song und Mamma Mia ein absurder Film (Teil 2 noch mehr als Teil 1). Trotzdem liebe ich beide. Ich liebe ihre lächerliche Handlung, ihren Kitsch. Für Teil 2 hatten die Produzent*innen den frevlerischen Einfall, die (Achtung, Spoiler!) Hauptfigur aus Teil 1 umzubringen. Das konnte ich ihnen, wie so viele andere, nur deshalb verzeihen, weil sie gleichzeitig den absolut glänzenden Einfall hatten, Cher in die Handlung zu integrieren (mindestens so glänzend wie der, Pierce Brosnan nicht mehr singen zu lassen). Und Cher singt Fernando – ein Augenblick, der perfekter nicht sein könnte.
Ebenso sehr wie Fernando und Mamma Mia (und Cher!) liebe ich übrigens dieses absolut irre Interview mit dem verstorbenen Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister, in dem er unter anderem über ABBA und – ja! – Fernando spricht. Kein anderes Interview habe ich so oft an Freund*innen und Bekannte geschickt und kaum etwas bringt mich so sehr zum Lachen wie diese, ähm, Analyse:
„Ist das ein Scheiß? Ist das ein Scheiß? Agnetha! Anni-Frid! Was verdammt hattet ihr in der unheimlichen Nacht mit Fernando am Rio Grande zu schaffen? Wer ist überhaupt dieser Fernando? Hier ist meine Antwort: Es hat die beiden Mädchen einen Scheiß interessiert! Das wird nicht hinterfragt. Drum klingt es so schön.“
Wer vermutet, dass ich dieses Interview dank Corona & Co dieses Jahr noch öfter gelesen habe als sonst, liegt richtig.
Der 15. November ist nicht nur deshalb ein besonderer Tag, weil er der Geburtstag meiner Mama ist, sondern auch, weil dann die neue Staffel von The Crown auf Netflix erscheint. Mit Diana! Und Gillian Anderson als Margaret Thatcher!
A propos Serien: Vor einigen Wochen habe ich endlich das komplette DVD-Set einer meiner absoluten Lieblingsserien gekauft – nämlich Buffy – Im Bann der Dämonen (auf Französisch übrigens Buffy contre les vampires, was mich jedes Mal zum Lachen bringt, weil das Ganze irgendwie niedlich und nach pixeligem Videospiel klingt). Gerade jetzt, wo die ganze Welt im Chaos versinkt, ist es entspannend, einer blonden Amerikanerin mit übernatürlichen Kräften dabei zuzusehen, wie sie Dämonen und anderen Höllenwesen in den Hintern tritt und die Welt wieder und immer wieder vor dem Untergang rettet.
Außerdem: Spike.
Zu Pinguinen hatte ich bisher keine starke Meinung, abgesehen davon, dass ich sie irgendwie lustig und liebenswert fand. In den letzten Wochen aber haben die schwarz-weißen Tierchen sich in mein Herz geschnabelt, und das dank eines gleichgeschlechtlichen Pinguin-Paares: Electra und Violet, wohnhaft im Ozeanarium Valencià (Spanien), haben gemeinsam ein Ei adoptiert und dieses, ebenfalls gemeinsam, ausgebrütet. Vorher hatte das Paar angefangen, „Eltern-Verhalten“ zu zeigen, in dem es ein eigenes Nest aus Steinen baute. Hach.
In einem niederländischen Zoo hingegen sorgte ein schwules Pinguin-Paar für Drama: Es klaute Eier von einem lesbischen Pinguin-Paar und – immerhin – sorgt sich seitdem rührend um seine künftige Brut. Offenbar handelt es sich bei dem diebischen Paar um Wiederholungstäter, die bereits letztes Jahr ein Ei von einer anderen Pinguin-Familie klauten – daraus schlüpfte allerdings kein Küken. Was soll ich sagen: Ich begrüße derartiges Verhalten nicht. Andererseits… brauche ich mehr Pinguin-Drama in meinem Leben.
Happy Birthday, Guerrilla Girls! Seit 35 Jahren sorgt die feministische Gruppe mit ihren Aktionen gegen Sexismus und Ungleichberechtigung in der Kunstbranche für Aufsehen. Der Guardian hat zwei der anonymen Gründer*innen – „Frida Kahlo“ und „Käthe Kollwitz“ – zum Interview getroffen und auch bei den Podcasts Call Your Girlfriend und The Great Women Artists waren die beiden zu Gast.
Auf This is Jane Wayne schreibt meine Kollegin Julia Carevic ganz ehrlich, offen und unprätentiös über das Thema psychische Gesundheit. Besonders geholfen hat mir ihr Text über die sieben Dinge, die sie in der Therapie gelernt hat. Unter anderem „Packe eine Notfall-Kiste“:
„Was genau in eine solche Notfall-Kiste kommt, bleibt jeder*m selbst überlassen, solange es sich denn um Dinge handelt, die wirklich glücklich machen, ablenken oder zumindest ein gutes Gefühl auslösen. Das können etwa Listen mit Serien, Filmen, Dokus, Playlisten, Podcast-Folgen und Büchern, aber auch Fotos, (positive) Erinnerungen, Nagellack, Badesalz und Skizzenbücher — eben alles, auf das man in Notfällen zurückgreifen kann, sein. Denn ist man erst einmal in einem Negativstrudel angelangt, so viel weiß ich mittlerweile, fehlt oftmals die Kraft, sich auf die Suche nach positiven Dingen zu machen.“
Ich glaube, so eine Notfall-Kiste zu haben, ist immer eine gute Idee, und ganz besonders in diesen Wochen und Monaten.
Wer hätte gedacht, dass H.P. Baxxter den Song und das Motto zur Corona-Krise liefert? Ich sicher nicht. Umso entzückter bin ich von stumpfen, und doch seltsam befriedigenden Ansagen wie: „I don’t give a penny/fuck 2020!“. H.P. weiß eben, wie ich mich fühle („Worst year ever!“). Der Song verbreitet eine positive Packs-an-Haltung („United we stand!“), musikalisch untermalt von den beruhigenden – weil wohlbekannten – Scooter-Bässen. Selbst Feuersäulen, ein paar leichtbekleidet tanzende Frauen und passiv herumstehende Männer hat man für das Video zu FCK 2020 organisiert.