Feuer! Feuer! Feuer!
Vor einigen Wochen hat es bei mir im Haus gebrannt. Aufgrund einer Erkältung war ich relativ früh ins Bett gegangen – nur um kurze Zeit später von einer Gruppe lärmender Menschen im Hof geweckt zu werden, ihre Stimmen durch das Oropax in meinen Gehörgängen gedämpft. Leute auf dem Weg zu einer Party, dachte ich genervt und drehte mich um. Dann Getrampel im Treppenhaus, Geräusche, die ich in meinem Halbschlaf-Dämmerzustand nicht richtig einordnen konnte. Plötzlich: ein lauter Rumps – und ich saß hellwach im Bett. Das Haus stürzt ein! Ich muss hier raus! Ein Blick aus dem Fenster enthüllte eine Gruppe uniformierter Menschen, die sich im hell erleuchteten Innenhof versammelt hatte und angestrengt an meiner Hauswand hochspähte.
Ich zog Jeans und T-Shirt an und schnappte mir Handy und Schlüssel. Draußen im schwülwarmen Hof entpuppten sich die uniformierten Menschen als Polizei und Feuerwehr. Meine Euphorie darüber, aus meiner Wohnung entkommen zu sein, hielt nicht lange an: Der Hof war voller Rauch, es stank – und ich hatte meine Fenster aufgelassen. Nervös schaute ich mich um. Wo waren die Flammen? Wann würden die Löscharbeiten beginnen? Und während ich so da stand, hatte ich plötzlich eine Vision: Löschwasser, das in meine Wohnung tropft und meine Möbel, meine Kleider, alles ruiniert. Dazu plärrte in meinem Kopf ungebeten ein Lied von Bastille: Things We Lost In the Fire (ich hasse dieses Lied).
Ich zwang mich dazu, tief durchzuatmen. Wenn ich nur meinen Laptop retten kann, dachte ich, dann reicht mir das. Na gut, meinen Laptop und mein Portemonnaie. Mehr brauche ich nicht. Auf alles andere kann ich verzichten. Ja, vielleicht ist das die Gelegenheit, mal so richtig aufzuräumen. Loszulassen. Sich auf die wirklich notwendigen Dinge zu konzentrieren. Das Internet ist schließlich voll mit Minimalist*innen, die, wenn nötig, ihren gesamten Besitz in einem Koffer verstauen können. Sie führen ein besseres, erfüllteres Leben. Ihre Wohnungen und Häuser sind schön und leer, es gibt keine Ecken, die mit Staubsaugern, Schuhen und Krempel vollgestellt sind. Auch meine Wohnung würde schön und leer werden! Ich würde verzichten. Lernen, mit weniger zu leben. Das Beste aus der furchtbaren Situation machen. Ich reckte mein Kinn und kam mir sehr tapfer vor.
Während ich so über mein neues, minimalistisches Leben nachdachte und darüber, wie ich die Feuerwehr dazu bringen könnte, mich noch einmal in meine Wohnung zu lassen, ging unvermittelt ein ohrenbetäubender Lärm los: Die Feuerwehr hatte eine Art gigantischen Ventilator aufgestellt und bedeutete mir, ich solle den verräucherten Hof doch bitte verlassen. Ich trat auf die Straße und war von jetzt auf gleich Teil einer geradezu grotesk idyllischen Szenerie: Neben der üblichen Schlange vor dem Hipster-Eisladen nebenan standen seelenruhig die Polizist*innen und schleckten ihr Eis, getaucht in das blauflackernde Licht des Feuerwehrautos.
Es stellte sich heraus, dass einem Nachbarn ein paar Wohnungen über mir das Essen angebrannt war – er selbst war währenddessen eingeschlafen und erst aufgewacht, als die Feuerwehr seine Wohnungstür eintrat. Fazit: Alles halb so schlimm. Der Brand war innerhalb weniger Minuten gelöscht, und das ohne den Einsatz gigantischer Wassermassen und die damit einhergehende potentielle Zerstörung meiner Wohnung (angesichts der Tatsache, dass der betroffene Nachbar mehrere Stockwerke über mir wohnte, sowieso ein eher unrealistisches Szenario).
Zurück in meiner Wohnung schaute ich mich um und all die Dinge an, die ich gedanklich nur wenige Minuten früher – so bereitwillig – für verloren erklärt hatte. Ich schämte mich ein bisschen. Da war das Steckhalma-Spiel, das meine Großeltern mir vermacht haben. Da meine Sammlung von Simone-de-Beauvoir-Büchern, manche Secondhand gekauft und mit den Widmungen Fremder versehen. Da meine Kiste mit Souvenirs, mit Postkarten von Freund*innen und Familienmitgliedern. Da die Madonnen-Figur aus Argentinien.
All die kleinen Dinge, die ein Zuhause ausmachen. All die Dinge, die ich glücklicherweise nicht im Feuer verloren hatte.
Gehört
M.I.C.H.E.L.L.E.
(Bonuspunkte für die Halskette und ihre nicht gerade subtile politische Botschaft)
Gelesen
Such a fun age von Kiley Reid hat mich an vielen Stellen zum Lachen gebracht, manchmal, weil ich peinlich berührt war. Das 2019 erschienene Buch handelt von der 25-jährigen Afroamerikanerin Emira Tucker, die in einem Supermarkt in Philadelphia beschuldigt wird, das weiße Kind, das sie babysittet, gekidnappt zu haben. Reid schildert, welche Auswirkungen dieser Vorfall auf Emira und ihre weiße Chefin Alix hat.
Alix, eine erfolgreiche feministische Bloggerin und Speakerin, ist besessen von der Idee, sich mit Emira anzufreunden und sie in die Familie zu integrieren – nicht nur, aber auch, weil sie sich als „gute Weiße“ inszenieren und ihr schlechtes Gewissen beruhigen möchte. In Such a fun age stecken viele schwierige Themen: der Umgang mit den eigenen (weißen) Privilegien, Rassismus, Erwachsenwerden und wirtschaftliche Unsicherheit. Es zeugt von Kiley Reids Talent als Autorin, dass sich ihr Buch trotzdem nicht anstrengend und konstruiert anfühlt. Im Gegenteil: Dieses Buch zu lesen macht Spaß – aber es bringt einen auch zum Nachdenken. Gut so.
Übrigens: Wem Such a fun age gefällt, der wird auch Queenie von Candice Carter-Williams mögen. Die deutsche Übersetzung ist gerade erschienen.
Gesehen
Ab und zu habe ich die Tendenz, mich in virtuelle Wurmlöcher zu begeben, aus denen ich erst Stunden später blinzelnd wieder auftauche. Ich komme vom Allgemeinen zum Speziellen, zum noch Spezielleren, und so weiter und so fort. Vor kurzem wollte ich nur schnell etwas über Carlos Santana lesen, landete dann aber beim Video zu seinem 1999er-Hit Smooth (mit Rob Thomas) – und verbrachte die nächsten zwei, drei Stunden damit, mir alles (alles!) zu diesem Song durchzulesen. Ich bin besessen.
Dankenswerterweise hat der Rolling Stone sich die Mühe gemacht, die komplette „oral history“ von Smooth aufzuschreiben. Die geht ungefähr so: Es war einmal, vor langer langer Zeit. Damals, 1999, hatte Santana seit Jahren keinen Hit mehr gehabt und sein neues Album Supernatural sollte diesen Zustand beenden. Santanas Team hatte die Idee, mit vielen angesagten und eher jüngeren Musiker*innen zusammenzuarbeiten. Die Arbeit am Album war fast abgeschlossen, aber was noch fehlte, war die erste Single. Ein Hit. Ein junger Komponist hatte einen Song namens Room 17 geschrieben – Team Santana liebte die Musik, aber nicht das Songwriting. Auftritt Rob Thomas, damals mit seiner Band Matchbox Twenty ganz oben auf der Erfolgswelle. Thomas schrieb den Song um und bescherte uns damit denkwürdige Zeilen wie „Man, it’s a hot one“ oder „My muñequita, my Spanish Harlem Mona Lisa”. Und der Rest ist, wie sagt man so schön, Geschichte. Ein paar Dinge, über die ich dank Rolling Stone immer noch nachdenke:
Bei der Zeile „You’re so smooth“ dachte Rob Thomas offenbar an Carlos Santana, der Rest des Songs aber zelebriert Thomas‘ spätere Ehefrau Marisol Maldonado (die er als „this smokin‘ hot Latin girlfriend“ bezeichnet…puh). Der sich daraus ergebende Effekt ist irgendwie verwirrend. Und… anregend?
Rob Thomas‘ Bandkollegen waren damit einverstanden, dass er den Song mit Santana macht, wollten aber wissen, ob das Ganze wie Livin‘ la vida loca sein würde (allein die Vorstellung! Herrlich!).
Santanas Label schickte die Single mit der Beschriftung „Mystery Artist“ an Radiostationen – aus Angst, dass man einen Santana-Song nichts spielen würde. Angeblich haben nur wenige Radioleute erraten, dass dieser namenlose Künstler Santana war, was ich mir angesichts seines unverwechselbarem Gitarrensound irgendwie nur schwer vorstellen kann.
Aus heutiger Sicht ist es interessant, auf das Jahr 1999 zurückzuschauen und sich bewusst zu machen, dass Latin Music damals durch sexy Frauen – Jennifer Lopez, Shakira – oder Latin Lover – Ricky Martin, Marc Anthony – repräsentiert wurde, und nicht durch alternde Gitarrengötter wie Carlos Santana. Dass Supernatural und die darauf zelebrierte Mischung aus lateinamerikanischer Musik und Rock so ein durchschlagender Erfolg werden würde, war also alles andere als garantiert. Und: Smooth ist etwas, was es in dieser Form heute nicht mehr gibt, nämlich ein veritabler Sommerhit. Dank diverser Streamingdienste und einem dadurch veränderten und diversifizierten Musikkonsum ist es schwer vorstellbar, dass es heute einen Song wie Smooth geben könnte – das heißt, einen Song, der universell geliebt und überall gespielt wird.
Gekocht
Auberginen haben es nicht leicht: Ihnen haftet das Vorurteil an, bitter und irgendwie anspruchsvoll zu sein. Tatsächlich habe ich als Vegetarierin in der Vergangenheit viele leidvolle Erfahrungen mit Auberginen gemacht – vor allem bei Grillabenden, wo Auberginenscheiben ungewürzt auf den Grill gelegt und mir dann als Delikatesse angepriesen wurden. Dabei ist das Schöne an Auberginen ja, dass sie wie Schwämme sind und daher einiges an Würze vertragen. Am liebsten esse ich sie als Parmigiana di melanzane: mit viel Käse und Tomatensauce. Dabei folge ich grob diesem Rezept aus Italien vegetarisch (von Claudio del Principe und Katharina Seiser).
Zutaten
400 g Auberginen
Olivenöl
400 g passierte Tomaten
2 Knoblauchzehen
50 g Parmesan
2 Mozzarella
1 kleines Bund glatte Petersilie
50 g Semmelbrösel
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung
Ofen auf 180 Grad (Ober-/Unterhitze) vorheizen.
Auberginen in maximal 1 cm dicke Scheiben schneiden. Auf einem Backblech mit Backpapier nebeneinander verteilen und beidseitig dünn mit Olivenöl einpinseln.
Im vorgeheizten Ofen 20-30 Minuten backen, bis sie etwas Farbe angenommen haben (das heißt: bis sie ihre schwammartige Konsistenz verloren haben und anfangen, sich zu bräunen).
In einem Topf Olivenöl erhitzen. Knoblauch schälen, fein würfeln und das Olivenöl damit aromatisieren. Tomaten dazugeben und zugedeckt aufkochen. 5 Minuten bei mittlerer Hitze garen.
100 ml Wasser angießen, Tomaten durchrühren, salzen und pfeffern. Bei mittlerer Hitze 30 Minuten zugedeckt sanft köcheln lassen.
Ofen auf 200 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Parmesan reiben. Mozzarella in Würfel schneiden. Petersilie waschen, trockenschütteln und mit den Stängeln fein schneiden.
Nun beginnt das fröhliche Schichten: Etwas Olivenöl und wenig Tomatensauce in einer Auflaufform verteilen. Auberginen in einer ersten Schicht einfüllen. Mit Semmelbröseln, Parmesan, Mozzarella und Petersilie bestreuen, mit Tomatensauce überdecken. Weitere Schichten einlegen, bis alle Zutaten aufgebraucht sind. Oberste Schicht mit Parmesan abschließen.
Im vorgeheizten Ofen 30 Minuten backen – bis alles blubbert und der Käse verlaufen ist. Im Zweifelsfall lieber ein paar Minuten länger im Ofen lassen, um sicherzugehen, dass die Auberginen auch schön durchgekocht sind.
Dazu schmecken grüner Salat und gutes Weißbrot
In eigener Sache (#SELFPROMOTION)
Am 9. September bin ich bei wartesaal.tv in meiner Heimatstadt Herne zu Gast. Mit Jerome Vazhayil spreche ich dort über meine Arbeit, Feminismus, und alles, was uns sonst noch so einfällt. Musik gibt’s von einer meiner Lieblingsbands, Snowfall in June. Das Beste: Niemand muss nach Herne kommen, denn das Spektakel wird live auf wartesaal.tv gestreamt! Los geht’s um 20 Uhr.